Mal ehrlich, wie geht es dir, Edith?
Sie kocht nicht nur gerne, sie kocht auch sehr gut. Und sie mag es, mit Menschen unterwegs zu sein. Kein Wunder fühlt sich Edith Kläusli in der Küche der Casa Immanuel richtig wohl.
Mal ehrlich, wie geht es dir, Edith?
Mir geht’s gut! Besonders jetzt nach dem Bartimäus-Kurs. Alle Teilnehmer hatten eine persönliche Begegnung mit Jesus, das war etwas ganz Besonderes, ich hatte mit IHM eine tiefe Begegnung. Es hat mich sehr bewegt, in mich hineinzuspüren: Wo bin ich noch Bettler, und wozu? Was ist der Mantel, den ich loslassen darf? Was will ich, dass mir Jesus tut?
Aber auch schon vorher hatte ich den Eindruck, dass es dir richtig gut geht.
Das stimmt. Bereits in der Gemeinschaftswoche mit Verena Ende Oktober ist sehr viel in mir passiert. Vor allem mein Vater durfte nun endlich emotional «gehen». Er ist vor einem Jahr gestorben. Und erst seither ist mir klargeworden, dass er für mich eine grössere Bedeutung hatte als meine Mutter, die vor vier Jahren verstorben ist. Das war schon eine überraschende Erfahrung: dass mein Vater mich stärker geprägt hat als sie es hat. Und erst jetzt ist mir klargeworden, dass ich mir bis zum Schluss von meinem Vater gewünscht hätte, er würde mich endlich anerkennen.
Das war dann wohl mehr als ein Wunsch – eher eine Erwartung, sogar ein Rechtsanspruch: «Du musst mich und meine Leistung endlich anerkennen.» Damit hast du dich unbewusst an ihn gebunden.
Genau. Und es ging mir auch gar nicht so sehr um meine Leistung. Ich hatte mir gewünscht, er würde mich als Tochter anerkennen, die schon früh gelernt hat, auf eigenen Beinen zu stehen. Die ihn nicht mehr «braucht», sondern die eigenständig ihr Leben lebt. Damit konnte er bis zu seinem Tod nicht umgehen. Seit einiger Zeit bringe ich diesen Schmerz ganz bewusst zu Jesus, und er wird tatsächlich immer weniger. Die Wunden heilen, langsam zwar, es braucht Zeit und Reifung, aber es kommt. Das gibt mir eine neue innere Gelassenheit.
Wow! Das ist Versöhnung pur. Und diese Zuversicht und Gelassenheit ist – meiner Meinung nach – deutlich spürbar. Die Küche ist ein wichtiger Teil dieses Werkes. Und diese Küche hat schon turbulentere Zeiten erlebt.
Danke 😊 Ja, das sehe ich genauso. Wir sind zur Zeit knapp besetzt, wir haben zwischendurch auch strengere Tage, und unsere finanzielle Lage als Gesamtwerk gibt mir auch zu denken. Doch bin ich zuversichtlich und habe Frieden. Wir heissen schliesslich nicht umsonst Immanuel, also «Gott mit uns»!
Was begeistert dich an deiner Arbeit als Küchenleitung der Casa Immanuel? Du bist seit vier Jahren frühpensioniert und «müsstest» nicht mehr arbeiten.
Einerseits arbeite ich gerne, nur zu Hause sein wäre nichts für mich. Und jetzt «darf» ich arbeiten, das empfinde ich als innere Freiheit. Andererseits ist dieses Werk mit seiner Vision einfach auch mein Herzensanliegen! Ich bin gerne mit Menschen unterwegs und ermutige sie, leite sie an und gebe ihnen das Gefühl, dass sie etwas «können». Ich vertraue ihnen, und das gibt ihnen wiederum Sicherheit und Selbstvertrauen. Dafür ist die Küche ein idealer Ort. Das schätze ich sehr, und es gibt mir auch wieder viel Energie und Freude zurück.
Du leitest nun seit drei Jahren die Küche. Was war dein Highlight?
Wir machen immer wieder schöne Anlässe, ob unser Brunch zum 1. August oder unsere Abschlussessen bei den Resilienztrainings. Aber so richtig begeistert war ich von unserem Benefizessen vor einigen Wochen. Zuerst war ich zwar noch etwas zurückhaltend, aber als ich das wunderbare Geschirr abholen durfte, das wir ausleihen konnten – da ist mir wirklich mein Herz aufgegangen. Genussreich kochen ist das eine, aber es braucht auch ein hochwertiges Design auf dem Teller. Erst in der Kombination ist ein Menü für mich rundum gelungen. Das Auge isst mit.
Wenn dir also jemand etwas Gutes tun möchte, darf er oder sie dir für die Casa-Küche ein exklusives Geschirrservice schenken…
... oh ja, gerne! 😊
Gemeinsam essen ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts als Casa Immanuel. Wie erlebst du dabei die Gäste?
Essen ist weit mehr als Nahrungsaufnahme. Beim Essen passiert emotional sehr viel, wir tauschen uns aus, hören einander zu, teilen Freud und Leid, lernen uns abzugrenzen – vieles davon haben wir am Familientisch daheim nicht erlebt und somit auch nicht gelernt. Als eine Heimat auf Zeit sind uns als Casa Immanuel gemeinsame Mahlzeiten daher sehr wichtig. Und wir bekommen viel Feedback dafür, meistens positives. Unsere Gäste schätzen die Vielfalt, die Ausgewogenheit und auch die regionalen Komponenten, vieles kommt ja aus unserem eigenen Garten. Und auch die Abwechslung ist wichtig, was bei einem acht Wochen dauernden Kurs zwar nicht ganz einfach ist, doch machbar, weil es mir wichtig ist.
Brauchst du Lob?
Lob ist natürlich schön und tut mir gut, wie jedem Menschen. Aber ich bin nicht davon abhängig, und ich mache mich auch nicht davon abhängig. Ich gebe mein Bestes, und wenn ich mit meiner Arbeit zufrieden bin, dann ist mir das genug. Den Gästen schmeckt unser Essen auch sehr 😉 Kritik gibt es selten, und klar nehmen wir die ernst.
War kochen immer deine Leidenschaft?
Nein, als Schülerin wollte ich in die Pflege gehen. Bei einem Aufenthalt im Welschland habe ich das Kochen entdeckt und bin dann «weiblicher Koch» geworden. Danach habe ich mich wieder der Pflege zugewandt, und heute arbeite ich in beiden Bereichen gleich gerne. Neben der Casa begleite ich zwei Personen über Pro Infirmis, das finde ich auch sehr spannend und wertvoll.
Und in deiner Freizeit…
… beobachte ich Vögel und schaue mich gerne in der Natur um. Wenn ich nochmals jung wäre, würde ich mich sicher stärker mit Biologie befassen, aber das war damals einfach nicht möglich. Forschung in und mit der Natur, das begeistert mich sehr. Daher habe ich mich in Ornithologie und Feldbotanik weitergebildet und entdecke immer wieder Neues. Das ist für mich ein wertvoller Ausgleich und tut mir gut.
Und jetzt? Von was träumst du noch? Von einer Weltreise?
Och nö, das bin ich nicht. Ich bin gerne daheim! Ich bin hier, das ist meine Heimat, meine Arbeit erfüllt mich, das genügt. Aber wovon ich tatsächlich träume: dass wir eine eigenständige, reife Persönlichkeit finden, die unsere Vision mitträgt und sich auf Augenhöhe und mit Weitblick langfristig in der Küche engagiert. Und ich wünsche mir mehr ehrenamtliche Mitarbeitende in der Küche. Beides würde uns sehr entlasten und dem Betrieb insgesamt guttun. Doch auch wenn Geduld nicht meine allergrösste Stärke ist: Ich weiss und ich vertraue darauf, dass Jesus meine Herzenswünsche ernst nimmt. Daher bin ich auch in personellen Fragen sehr viel gelassener geworden als auch schon. 😉
Liebe Edith, vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Christian Uwe Schreiber